Tallinn – Gegensätzliche Stadt
Eines ist sicher: Tallinn ist eine Stadt mit großen Gegensätzen! Noch in keiner anderen Stadt hatte ich so ein starkes Gefühl zwischen verschiedenen Zeiten hin und her zu wandern wie hier! Sehr oft wird diese Stadt unterschätzt, zugegebenermaßen auch von mir! Völlig zu Unrecht! Denn Tallinn hat mich in den ersten paar Stunden meines Aufenthaltes schon sehr beeindruckt und überzeugt.
Mittelalter trifft Moderne
Estlands Hauptstadt ist zwar eher klein und überschaubar, aber sie bietet trotzdem genug Sehenswürdigkeiten, Attraktionen und nette Plätze um gleich mehrere Tage hier verbringen zu können.
Tallinns Altstadt verzaubert sofort! Sie ist einfach herrlich anzusehen! Spaziert man in die Altstadt, fühlt man sich sofort ins Mittelalter zurückversetzt: Viele alte Gebäude, malerische kleine Straßen und öffentliche Plätze und der schöne Rathausplatz erinnern an eine längst vergangene Zeit.
Tallinn bietet viel Platz für gemütliches Herumspazieren. Das beste ist, man lässt sich einfach treiben. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten liegen sehr nah beieinander. Man kann alles sehr gut zu Fuß und ohne öffentliche Verkehrsmittel erreichen.
Sehr auffallend in Tallin ist die Stadtmauer selbst. Auf ihre heute noch zwei Kilometer lange Stadtmauer sind die Tallinner besonders stolz. Sie führt an romantischen Kopfsteinplastergassen und windschiefen Häusern entlang. Anders als in vielen anderen Mittelalterstädten ist die Befestigung in Tallinn noch sehr gut erhalten. Sie zählt zu den größten Stadtbefestigungen in Europa und zeugt davon, dass diese Stadt einmal sehr gut geschützt war. Zusätzlich zur Stadtmauer sind dazu noch 26 Türme sowie die beiden Stadttore übrig. Einige Türme können besichtigt werden. Und auf einem kleinen Teil der Mauer kann man auch herumspazieren und die Aussicht über die Altstadt mit ihren engen Gassen genießen.
Die Altstadt teilt sich in die Oberstadt, von der aus Estland seit jeher regiert wird, und in die Unterstadt. Sie wuchs unterhalb des Dombergs heran.
Die Unterstadt – Wo das Herz Tallinns schlägt
In der Unterstadt kann man sehen, wie Mittelalterstädte ohne Kriegszerstörung ausgesehen hätten. Denn über 80 Prozent der Bausubstanz stammen auch aus der Zeit zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert, als die Stadt gegründet wurde und sich zur Handelsmetropole entwickelte. Bereits zu Sowjetzeiten wurden historische Bauten unter Denkmalschutz gestellt. Seit 1997 gehört dieser Teil der Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe. In der verwinkelten Unterstadt waren Handwerker und Kaufleute zuhause. Zwischen farbenfrohen Häusern, Wirtshäusern und Märkten spielte sich das Leben der Einwohner ab. Heute trifft man hier vor allem Touristen, die durch die urigen Gassen spazieren.
Vor allem dieser Teil Tallinns hat mir extrem gut gefallen! An den Fassaden hängen Hexen und diverse Fabelwesen herab. In manchen alten Gassen gibt es kleine Märkte. Und rund um den Rathausplatz bieten mittelalterlich gekleitete Verkäufer köstlich duftende Leckereien, wie zB. frisch gebrannte Mandeln, in ihren Holzständen an.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Unterstadt
Inmitten der Unterstadt steht am Rathausplatz das steinerne Rathaus (Raekoda) mit seinem 64 m hohen Turm. Der Aufstieg über die dunkle Wendeltreppe aus Stein mit den hohen Stufen ist schon ein kleines Erlebnis für sich und zahlt sich auf jeden Fall aus. Von oben hat man einen guten Überblick über die Altstadt. Die Rathausturmglocke soll eine der ältesten Glocken des Baltikums sein.
Der Rathausplatz (Raekoja plats) an sich ist ebenfalls sehr sehenswert! Der Platz ist umgeben von detailreichen Kaufmannshäusern. Im Sommer ist er mit seinen zahlreichen Kaffeehäusern und Gasthäusern ein Touristenmagnet. Außerdem finden hier immer wieder die verschiedensten Veranstaltungen und Märkte statt. Auf dem Platz befindet sich auch eine der am längsten betriebenen Apotheken in Europa (seit 1422).
Tallinn bietet mehr als 20 Kirchen, von denen die meisten sich in der Altstadt befinden! Erwähnenswert sind vor allem die mittelalterllichen Kirchen, wie die St. Nikolaikirche (Niguliste kirik) und die Heiliggeistkirche (Püha Vaimu kirik).
Gerade die gut erhaltene zwei Kilometer lange Stadtmauer (Linnamüür) mit ihren Türmen ist es mitunter auch, die der Altstadt sein märchenhaftes Aussehen verleiht. Einen Teil der Mauer kann man auch von innen betrachten. Der Teil, der öffentlich zugänglich ist, verbindet die Türme Nunna, Sauna und Kuldjala. Wenn man auf die Türme steigt, kann man sich gut vorstellen, wie es war, die Stadt von hier aus zu verteidigen. Auch hier hat man immer wieder malerische Ausblicke auf die roten Ziegeldächer der Altstadt.
Historisches
Der Katharinengang (Katariina käik) ist eine kleine Gasse, die entlang des St.-Katharinen-Klosters verläuft. Auffallend in dieser Gasse sind die sie überspannenden Querstreben. Die erhaltenen Wohnhäuser stammen überwiegend aus dem 15. – 17. Jahrhundert. An der Mauer des Klosters sind mehrere Grabplatten befestigt. Die Gasse diente aufgrund ihres historischen Erscheinungsbildes immer wieder als Filmkulisse und ist daher auch ein beliebter Ort für Touristen. In mehreren Gebäuden sind Läden für Souvenirs und Kunsthandwerker untergebracht.
Das Kiek in de Kök Festungsmuseum bietet zusammen mit seinen unterirdischen Bastionsgängen Erlebnisse, Wissen und die Möglichkeit, Tallinns Geschichte entlang der historischen Stadtmauer von einem Turm zum anderen zu erkunden. Die geheimnisvollen unterirdischen Bastionsgänge stammen aus dem 17. – 18. Jahrhundert. Sie formen zusammen mit der Stadtmauer und den Türmen einen Verteidigungskomplex.
Die Oberstadt und ihre wichtigsten Sehenswürdigkeiten
Die Oberstadt auf dem Domberg (Toompea), einem rund 50 Meter hohen Kalksteinfelsen, gehört bis heute den Reichen und Mächtigen der Stadt. Hier befindet sich der höchste Punkt Tallins. Von hier aus hat man Ausblicke über die ganze Stadt und das Meer bis nach Finnland. Es befinden sich hier edel Wohnhäuser, die Regierungsbauten und das Parlament.
Die Alexander-Newski-Kathedrale (Aleksander Nevski katedraal) ist in der Oberstadt wohl das auffälligste Gebäude. Die mit seinen weithin sichtbaren Zwiebeltürmen errichtete Kathedrale ist Estlands Hauptkathedrale des russisch-orthodoxen Glaubens. Das Interieur der Kathedrale mit seinen Mosaiken und Ikonen ist einen Besuch wert. Im Glockenturm der Kirche befindet sich das mächtigste Glocken-Ensemble Tallinns. Es besteht aus 11 Glocken, die 15 Tonnen wiegen.
Die Domkirche (Toomkirik) wurde 1233 erbaut und immer wieder umgestaltet. Sie zeigt daher eine Mischung verschiedener architektonischer Stile.
Verlässt man die Altstadt wieder durch das Stadttor befindet man sich sofort wieder im 21. Jahrhundert. Hier befinden sich viele Cafes mit WLAN und man findet eine interessante Mischung aus hip, modern und vor allem fortschrittlich vor.
Rotermann-Viertel
Südlich und östlich der Altstadt ragen Wolkenkratzer in die Höhe. Und es befinden sich hier eine ganze Reihe großer Kaufhäuser. Man findet hier moderne Hochhäuser neben windschiefen historischen Gebäuden. Das Rotermann-Viertel (Rotermanni kvartal) nahe dem Altststadthafen entstand in den letzten Jahren um einen denkmalgeschützten Kern aus Kalksteinhäusern neu. Früher befanden sich in diesem Viertel mehrere Fabriken und Speicher, die Christian Barthold Rotermann aufgebaut hatte. Er war der bedeutendste Industrielle der Stadt und Mitglied einer angesehenen Familie. Heute fügen sich moderne Gebäude mit Materialien wie Backstein, Stahl und Holz in die historischen Gebäude ein. Das Rotermann-Viertel ist heute ein Zentrum für die Tallinner Jugend. Es gibt hier viele gemütliche Lokale, Bars, Restaurants und jede Menge Kaufhäuser. Diese Mischung aus „alt“ und „modern“, die man sofort an den Gebäuden erkennt, finde ich ebenfalls sehr spannend.
Lennusadam
In einem spektakulärem Betonhanger des ehemaligen Wasserflugzeughafens befindet sich das Seefahrtsmuseum. Es ist eines der sehenswertesten Museen Tallinns. Im Museum findet man hauptsächlich Schiffe und Wasserflugzeuge. Die Ausstellung, die sich vor allem mit der Geschichte der Schiffahrt widmet, ist so umfangreich, dass man hier locker ein paar Stunden darin verbringen kann. Es gibt hier viele interaktive Stationen und einen sehr gut aufbereiteten Audio-Guide. Besonders eindrucksvoll ist aber das begehbare U-Boot Lembit aus dem Jahr 1937. Es liegt im Zentrum des ganz dunkelblau ausgeleuchteten Hangars. Mit seinen dunklen Außenwänden und den vielen verschachelten Innenräumen voller Stahl, Rohre und Knöpfe macht es noch immer einen leicht bedrohlichen Eindruck.
Im Außenbereich des Museums liegen riesige, begehbare Schiffe, wie zB. der Suur-Töll-Eisbrecher, in denen man ebenfalls einige Stunden verstreichen lassen kann.
Der Besuch dieses Seefahrtsmuseums ist eine absolute Empfehlung von mir, der auf keinen Fall bei einem Aufenthalt in Tallin fehlen sollte!
Weiterer Tipp
Wer sich für die geheime Geschichte der Stadt Tallinn interessiert, dem kann ich das KGB-Museum empfehlen! Es befindet sich im 23. Stock des Sokos Hotels Viru. Das Hotel war in Tallinn einst Sitz der geheimen Zentrale des KGB zur Überwachung ausländischer Gäste. Heute ist das Spionage-Hauptquartier das wohl einzige KGB-Museum der Welt in einem Hotel.
Das Museum lässt sich nur im Rahmen einer geführten (englischsprachigen) Tour besichtigen. Die Tour dauert ca. 1 Stunde und führt durch die Räume, die von den sowjetischen Geheimdienstmitarbeitern benutzt wurden. Diese Räume findet man so vor, wie sie die KGB-Mitarbeiter 1991 überstürzt verlassen hatten. Aus Funkgeräten hängen abgetrennte Kabel. Auf dem Schreibtisch sind Papiere, Stempel, ein übervoller Aschenbecher und eine Gasmaske.
Auf interessante und auch sehr humorvolle Weise erfährt man viele kuriose Geschichten über das Hotel und das Leben zur damaligen Zeit. Über die Methoden der Bespitzelung und die dafür verwendete Ausrüstung kann man mittlerweile nur stauen. Man erhält einen guten Einblick in die paranoiden Gedanken der Geheimdienstler. Der Ausblick vom obersten Stockwerk des Viru-Hotel ist übrigens ebenfalls nicht zu verachten!
Es empfiehlt sich auf jeden Fall die Tour schon im Voraus zu reservieren, weil die Touren meistens ausgebucht sind!
Diesen Städtetrip in diese wunderschöne Stadt habe ich extrem genossen, das Interesse auch andere Baltikumstädte zu besuchen, ist nun extrem groß! 🙂
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