Ich sitze im Flieger Richtung New Orleans und schaue auf den Bildschirm vor mir. Von dem spannenden Film bekomme ich nur die Hälfte mit, denn meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Ich bin viel zu aufgeregt und muss immer wieder an die Tage denken, die vor mir liegen! Zu dem Zeitpunkt kann ich mir noch kaum vorstellen wie es sein wird mit einem Kajak fast alleine durch die Zypressensümpfe im Süden der USA zu paddeln! Drei Tage später soll es bereits so weit sein…!
Es gibt wenige Plätze, die mich von Anfang an so extrem faszinierten, wie die Zypressensümpfe im Süden der USA! Jedes Mal, wenn ich Bilder von diesen unglaublichen Bäumen sah, stand ich sprachlos davor und war begeistert von diesen wunderschönen Sumpflandschaften!
Die meisten Bilder, die ich kenne, stammen von Georg Popp. Er ist einer der wenigen Fotografen, der die schönsten Plätze in den Sümpfen kennt, weil er seit vielen Jahren selbst immer wieder vor Ort ist, um die Gegend zu erkunden. Und ausgerechnet Georg sitzt nun im Flieger neben mir, um uns zu den schönsten Zypressenplätzen zu begleiten. Ich muss wohl nicht erwähnen, wie sehr ich mich auf das Abenteuer und die gemeinsame Zeit, die vor uns liegt, freue!
Der von Sümpfen geprägte Süden der USA
Der Süden der USA ist geprägt von vielen verschiedenen Sumpflandschaften. Die wohl bekanntesten Sümpfe der Welt sind die Everglades im Bundesstaat Florida. Es gibt aber noch weitere, extrem faszinierende Sümpfe. Texas und Louisiana bieten nämlich ebenfalls unglaublich abwechslungsreiche und interessante Landschaften mit dichten Sumpfzypressenwäldern! Nicht umsonst ist Louisiana auch als „Bayou State“ bekannt. Der Name ist von den Riesensumpfgebieten im Mississippidelta abgeleitet.
Ca. zwei bis fünf Autostunden von der Metropole New Orleans entfernt, befindet sich der Eingang in eine ganz andere Welt: In den beiden Bundesstaaten Texas und Louisiana gedeihen die größten Sumpfzypressenwälder der Welt. In einem Labyrinth aus Sümpfen, Bayous und Teichen wachsen teilweise über 1.000 Jahre alte Sumpfzypressen in einem Gewirr aus den verschiedensten Wasserpflanzen und flechtenbehangenen Bäumen.
Da für mich die schönste Jahreszeit der Herbst ist, war schnell klar, dass ich die Zypressenbäume auch am allerliebsten im Herbst aufsuchen wollte. Die Nadelblätter der Sumpfzypressen verfärben sich im Herbst bevor sie abfallen. Bei unserer Ankunft in den USA befindet sich die Herbstverfärbung erst am Beginn, aber der bunte Anblick ist schon jetzt wunderschön und ich kann mich kaum daran satt sehen!
Zypressensümpfe – Die ersten Paddelversuche
Die Schönheit der Sumpfzypressenlandschaft erschließt sich definitiv erst so richtig vom Wasser aus! Und ehe ich mich versehe, sitze ich in meinem eigenen Kajak und übe mich an meinen ersten Paddelversuchen. Die Zweifel sind schnell verflogen, ich komme mit dem für mich ungewohnten Fortbewegungsmittel auf dem Wasser sehr gut zurecht und es macht mir auf Anhieb großen Spaß mich auf diese Art meinen Fotomotiven zu nähern! Schon kurze Zeit darauf sind auch die ersten – gelungenen – Fotos im Kasten.
Wir durchpaddeln in den zwei Wochen verschiedene Gebiete und Landschaftsabschnitte. Die Plätze sind unterschiedlich, aber jeder für sich ist ein absoluter Traum für mich! Manches Mal stehen die Zypressenbäume sehr dicht beieinander und wir müssen gar nicht weit paddeln um die schönsten Plätze und Perspektiven zu finden. Ein paar Kilometer weiter ist das Gebiet sehr viel weitläufiger und wir verbringen fast einen ganzen Tag im Kajak um die Flussläufe und Bayous zu erkunden.
Manchmal mehr, manchmal weniger, aber trotzdem immer sehr auffallend ist das „Spanish moss“, das von den Zypressen wächst! Das Spanische Moos oder auch Louisianamoos benannt, zählt zu den Bromeliengewächsen, ist ein Epiphyt, schadet also den Zypressenbäumen selbst nicht und ist wunderschön anzusehen wie es von den Bäumen hängt.
Mystischer Nebelmorgen
Am dritten Paddeltag haben wir absolut fantastisches Wetterglück und die besten Bedingungen überhaupt in den ganzen zwei Wochen! Wir haben an diesem Morgen genau die Stimmung, die wir uns vorab so sehr gewünscht hatten! Es hatte in der Nacht stark abgekühlt, dichter Nebel hatte sich dadurch über der Wasseroberfläche gebildet und die Lufttemperatur liegt bei knapp 0 °C. Wir kommen frühmorgens im Dunkeln mit den Autos zu der Stelle, von der wir wegpaddeln wollen. Während die beiden Jungs fast stumm unsere Kajaks von den Dachträgern der Autos heben, erledige ich andere Handgriffe: Die Sitze müssen in den Booten fixiert werden, die Schwimmwesten werden bereitgelegt, unsere Packsäcke mit den Kameras und mit Proviant und Regenjacken werden verstaut, … alles hat seinen bestimmten Platz im Boot und die einzelnen Handgriffe sind bereits zur Gewohnheit geworden.
Die Aufregung steigt, als ich mit meiner Stirnlampe aufs Wasser leuchte und mich Georg angrinst während wir in die Boote steigen. Dichte Nebelschwaden ziehen langsam übers Wasser und es herrscht absolute Stille. Ich kämpfe mit meiner Stirnlampe, die im Nebel eigentlich nur blendet und schalte sie daher bald ganz aus. Mein Herz klopft vor lauter Aufregung immer stärker, sehen kann ich fast nichts, denn durch den Nebel läuft auch meine Brille immer wieder an. Paddelnd folge ich den Leuchtkegeln der beiden Jungs durch diese mystische Nebelstimmung während unsere Kajaks fast mühelos über das Wasser gleiten. Hin und wieder platscht ein Fisch im Wasser und von uns selbst ist anfangs nur das etwas ungeübte Ausholen mit den Paddeln und der darauffolgende dumpfe Schlag gegen das Boot zu hören. Nach ein paar Minuten hat aber jeder seinen Rhythmus gefunden und wir näher uns leise unserem Ziel.
Unbeschreibliche Momente
40 Minuten später haben wir unseren Platz erreicht und warten bis die Dämmerung einbricht. Da wir gestern auch schon hier waren, ist die Umgebung nicht mehr ganz so unbekannt und wir suchen uns unsere Motive. Die Stimmung ist gewaltig, als die Sonne langsam aufgeht und die Umgebung in ein magisches Licht taucht! Die Zypressenbäume stehen in einem Nebelmeer und das „Spanish moss“ hängt wie ein Vorhang von manchen Bäumen – der Anblick ist wie aus einer anderen Welt. Staunend und mit offenem Mund verweile in meinem Kajak sitzend auf derselben Stelle ohne mich zu bewegen. Es ist so atemberaubend schön, dass ich sogar fast vergesse meine Kamera auszupacken und zu fotografieren!
Ich will auch hier die bestmöglichen Bilder mit nachhause nehmen, die ich anfertigen kann. Und so suche ich mir eine passende Perspektive und prüfe mit dem Paddel die Tiefe des Wassers neben einem Zypressenbaum. Hier sollte es gut möglich sein aus dem Boot zu steigen, Halt an den Unterwasserwurzeln zu finden und mein Stativ halbwegs wackelfrei zu platzieren. Vorsichtig stemme ich mich hoch, umklammere fest eine Luftwurzel und steige vorsichtig aus dem Boot ins Wasser. Sofort spüre ich wie sich die Wathose durch den Wasserdruck eng an mich anlegt. Immer noch an Wurzeln festgekrallt, hoffe ich unter Wasser nicht abzurutschen, nehme die Einstellungen an der Kamera vor und beginne konzentriert zu fotografieren. Eine surreale und unglaublich schöne Wasserlandschaft liegt vor mir. Würde jetzt ein Dinosaurier zwischen den Bäumen umherfliegen, ich würde mich wahrscheinlich nicht einmal wundern! Und weil mein Stativ schon einmal auf halbwegs festen Boden steht, nutze ich das aus und fotografiere in die andere Richtung auch gleich. Es erfordert etwas Geschick und Körperbeherrschung bei den Verrenkungen, die ich hier vornehme, weil ich auf wenigen rutschigen Zentimetern „Wurzelboden“ stehe und hoffe, dass ich nicht ins tiefere Wasser abrutsche.
Geheimnisvolle Atmosphäre
Auf meinem Kajak sind die Wassertropfen bereits zu Eis gefroren und auch meine Finger scheinen bald zu erfrieren, denn mit dem Hantieren des Stativs bleiben auch die Handschuhe nicht lange trocken.
Die Morgenstimmung im Sumpf hier ist mystisch und verleiht dem See eine einmalige, absolut faszinierende und geheimnisvolle Atmosphäre, die mir zwischenzeitlich Freudentränen in die Augen treibt. Ans Aufhören denken wir an diesem Morgen deshalb noch lange nicht. Die Sonne steigt höher, aber die Nebelstimmung hält an und so haben wir viele Möglichkeiten uns fotografisch auszutoben. Erst als sich großer Hunger breit machte, beschlossen wir wieder zurückzupaddeln und uns ein Frühstück bzw. Mittagessen zuzubereiten. Für mich war dieser Sonnenaufgang im Sumpf überhaupt die beste Morgenstimmung, die ich in meinem Leben bisher erlebt habe!
Ungewohnte Perspektiven
Die ungewohnten Perspektiven direkt über dem Wasser sind neu für mich und mit jedem Tag werde ich kreativer und versuche neue Blickwinkel und Details zu finden. Vor allem die Luftwurzeln und die dicken Stämme erinnern oft an lustige Gestalten und der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Im ruhigen Wasser bilden sich immer wieder schöne Spiegelungen, der Anblick ist einfach traumhaft! Die Schwierigkeit dabei ist einen geeigneten Standort für das Stativ zu finden. Manchmal ist es fast zum Verzweifeln, denn dort, wo man für das Stativ einen halbwegs festen Boden im Wasser findet, passt die Bildkomposition nicht. Andererseits kommt es immer wieder vor, dass man einen perfekten Bildausschnitt gefunden hat, es genau dort aber keine Möglichkeit gibt, das Stativ im Wasser aufzustellen weil es an der Stelle viel zu tief ist. Es hilft nur ein Kompromiss: ISO hoch, das Boot zum Stillstand bringen und hoffen, dass die moderne Technik der Kamera hält, was sie verspricht.
Die teilweise über 1.000 Jahre alten Zypressenbestände sind etwas ganz Besonderes. Schon neben den Autobahnen rund um New Orleans gibt es viele Sümpfe, in denen Zypressen stehen. Es handelt sich hierbei meistens aber um ganz junge Bäume, die in einem abgeholzten Gebiet wieder nachwachsen. Diese Bäume sind kein Vergleich zu den Wäldern an den Plätzen, an denen wir uns befinden. Die Gegend ist teilweise relativ schwer zugänglich und ohne Kajak gibt es hier ohnehin kein Weiterkommen.
Ich bin also auf mein neues Fortbewegungsmittel angewiesen, aber in der Zwischenzeit sind mein Kajak und ich sowieso ein gutes Team geworden. Jeden Tage freue ich mich aufs Neue es mir darin wieder gemütlich zu machen und loszupaddeln. Ganz ungewohnt für mich ist es auch, keinen Fotorucksack durch die Gegend schleppen zu müssen. Die Kamera liegt stattdessen vor mir zwischen den Beinen, gut gepolstert und wasserdicht verpackt am Boden des Kajaks und ist stets griffbereit.
Zypressensümpfe – Artenreiche Tierwelt
Die Sumpfgebiete sind sehr tier- und artenreich. Es leben hier viele verschiedene Vögel, wie Reiher, Kormorane und Kraniche, die sich von Fischen, Fröschen und Schlangen ernähren. Der Sumpf ist auch Heimat der Mississippi-Alligatoren. Ebenso tummeln sich verschiedene Wasserschildkröten in den Gewässern und immer wieder kreisen Weißkopfseeadler in der Luft.
Hinter jedem Baum kann sich ein anderes Tier befinden. Meist sind es Reiher, die überraschend entspannt sind und eine ziemlich kleine Fluchtdistanz haben. Aber die Tiere, die für mich die größte Faszination ausüben, sind auch die größten und mitunter die vermeintlich gefährlichsten. Sie gehören in diese Sümpfe wie die Faust aufs Auge! Die Rede ist von den Alligatoren, die hier teilweise eine beachtliche Größe von bis zu 6 m und einem Gewicht von bis zu 500 kg erreichen. Menschen fallen nicht in das Beuteschema der Alligatoren, dieses Wissen beruhigt mich zumindest ein bisschen. Trotzdem habe ich großen Respekt in den Gewässern herumzupaddeln und mich in deren Revieren zu bewegen.
Alligatoren in freier Wildbahn sehen und fotografieren zu können, weckt bei mir aber einen großen Abenteuerinstinkt und sofort habe ich den Anblick von Crocodile Dundee vor mir. Für mich persönlich waren die Alligatoren auch eines meiner absoluten Wunschmotive dieser Reise.
Kleinere Exemplare leben direkt im Gewässer rund um unsere gemietete Cabin. Weitaus größere Tiere finden wie einige Kilometer weiter in einem See vor. Im Wasser treibend und einem Baumstamm ähnelnd erkennt man sie erst bei genauerem Hinsehen. Es ist aber sehr heiß, windstill und die Sonne brennt vom Himmel – perfektes Alligatorenwetter also. Sie liegen auf Baumstämmen, räkeln sich in der Sonne und sind so meist schon von Weitem sichtbar.
Abschluss der Reise
Hin und wieder sitze ich mitsamt meinem Kajak auf einem unter der Wasseroberfläche liegenden Baumstumpf auf. Nach einer kurzen Schrecksekunde, den Gedanken an bissige Alligatoren und mit ein bisschen hin und herruckeln, kann ich mich aus diesen Situationen aber immer wieder leicht befreien, bevor es wieder gemütlich und entspannt weiter geht. Auch passiert es mitunter, dass ich mit dem Paddel gegen einen Fisch im Wasser stoße. Manche Fischarten werden hier sogar bis zu 2 Meter und größer – fast unvorstellbar!
Entspannte und vor allem lustige fünf letzte Tage mit sehr warmen Temperaturen liegen im Süden Louisianas vor uns. Wir erleben hier noch wunderschöne und sehr farbige Sonnenuntergänge – ein toller Abschluss dieser Reise, bei der natürlich schon das Fotografieren im Vordergrund stand, aber auch das eigentliche Paddel-Abenteuer an sich!
Diese Reise war extrem intensiv für mich und ich freue mich immer noch all das erlebt zu haben und bin sehr dankbar darüber! Jetzt, einige Wochen nach dieser Reise, nachdem auch alle Fotos gesichtet sind, merke ich aber, dass meine Abenteuerlust in den Sümpfen noch nicht gestillt ist. Weitere fotografische Ideen und die Lust am Paddeln geistern in meinem Kopf herum…. 😊
14 Comments
herrliche Bilder und ein unglaublich gut geschriebener Blog. Beneidenswert !!!
Danke, Erich, freut mich sehr wenn dir der Blogartikel gefällt! 🙂 War schon ein tolles „Abenteuer“, an das ich gerne zurückdenke!
Wow, deine Begeisterung ist aufgrund der fantastischen Fotos und des aufregend geschriebenen Beitrags absolut nachvollziehbar.
Schön, wenn dich mein Bericht „mitnimmt“. 😀
Ein ganz besonders beeindruckender Reisebericht und ganz tolle Fotos
Das freut mich sehr, danke Roman!
Ich habe beim Lesen akutes Fernweh bekommen. Tolle Orte, die Du sehr schön in Szene gesetzt hast
Vielen Dank für deine lieben Worte! 🙂
Super, toll. Dort muß ich auch noch hin.
wow
einfach toll. ich denke da muss ich auch mal hin.
kannst Du mir vielleicht das genaue datum deiner reise schreiben und wie du das alles mit dem kajak und auch das drum herum organisiert hast 😉
übrigens ich finde deine fotos beeindruckend!!!!!!!!!!!!!!!
Sehr schöne Bilder und echt eine spannende Story!
Das freut mich sehr, dankeschön!
Einfach nur WOW!
Mir steht beim Betrachten Deiner Fotos und Deiner Beschreibungen der Mund offen.
Fast hatte ich das Gefühl, mit bei Dir im Kanu zu sitzen.
Ich bin überwältigt von der Schönheit und Harmonie deiner Fotos.
Perfekt komponiert und sehr einfühlsam und gekonnt bearbeitet – Danke fürs Zeigen!
Lieber Peter!
Vielen Dank für deine freundlichen Worte! Mir gings vor Ort genau so und ich bin sehr dankbar das erlebt zu haben!